„FAZ“, „Spiegel“, „Welt“ und „Zeit“ melden seit Ausbruch des Corona-Virus in Europa rekordverdächtige Leserzahlen. Der Grund: In Zeiten der Unsicherheit setzen die Menschen auf seriöse Informationsangebote, die Mediennutzung ändert sich. Das betrifft nicht nur die überregionalen Nachrichtenangebote, auch lokale und regionale Tagesmedien steigen in der Lesergunst. Und doch wächst der wirtschaftliche Druck auf die Medien: Die meisten Verlage haben bereits Kurzarbeit angemeldet.
Studien zeigen: In der Corona-Krise nimmt die Nutzung aller Medien zu, bei TV, Zeitung, Zeitschrift, Radio ebenso wie bei Social Media. Eine Umfrage der Ad Alliance ergab, dass die Hälfte der Deutschen in ihrer Freizeit mehr Medien (TV, Zeitungen, Internet, Radio etc.) nutzen als vor der Krise. Die Befragung wurde kurz vor dem Lockdown am 23. März durchgeführt und zeigt deutlich, welchen Medien die Menschen wirklich vertrauen. Der Aussage „In der aktuellen Lage sind mir vertraute Nachrichtenangebote wie Spiegel, NTV, Stern oder Tagesschau besonders wichtig, um mich zu informieren“ stimmten 82 Prozent der Umfrageteilnehmer zu. Im Gegenzug werden Social Media mit der Verbreitung von Fake-News in Verbindung gebracht: 89 Prozent der Umfrageteilnehmer stimmten der Aussage „Soziale Netzwerke wie Instagram, Facebook oder Twitter sind besonders anfällig dafür, Fake News rund um das Thema Corona-Virus zu verbreiten“ zu.
Stärkeres Interesse an Wirtschaft und Politik
Das Interesse der Leser betrifft nicht nur die gesundheitlichen Aspekte der Corona-Pandemie. Durch die Einschränkungen im öffentlichen und privaten Leben rücken auch Themen aus Politik und Wirtschaft in den Fokus: 40 Prozent der Teilnehmer der Ad Alliance-Umfrage gaben an, dass ihr Interesse an Politik gestiegen sei und 37 Prozent bejahten einer verstärktes Interesse an Wirtschaft. Auch das kommt den Nachrichtenangeboten zugute, die durch journalistische Qualität das Vertrauen der Leser erringen.
Qualitätsjournalismus als Gegengewicht zu Fake News
Eine Analyse des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) ergab Rekordwerte bei den Zugriffen auf die Online-Angebote überregionaler Nachrichtenmedien: In den ersten beiden Märzwochen stiegen die Visits bei FAZ, Focus, Handelsblatt, Spiegel, Stern, Süddeutsche Zeitung, Welt und Zeit um 38 Prozent gegenüber dem bereits ebenfalls nachrichtenintensiven Februar. Laut der Analyse des Büros Bardohn anhand von IVW-Daten betrugen die Visits allein am 15. März rund 59 Millionen. Der VDZ sieht darin zu Recht den besonderen Wert vertrauenswürdiger Informationen journalistischer Pressemarken in Krisenzeiten – auch als Gegengewicht zu Falschmeldungen aus dubiosen Quellen rund um die Pandemie.
Nicht nur bei den überregionalen Medien steigen die Leserzahlen, auch die lokalen und regionalen Medien haben in der Krise ordentlich zugelegt. Im März verzeichnete das Online-Angebot der Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten ein Allzeithoch von 66 Millionen Seitenzugriffen.
Im Übrigen fällt zwar der Leserzuwachs bei den Printmedien geringer aus als bei den Online-Angeboten, doch auch hier gibt es durchaus nennenswerte Steigerungen: 14 Prozent der durch Ad Alliance Befragten gaben an, Zeitungen derzeit häufiger zu nutzen als vor der Corona-Krise.
Anzeigenrückgang: Kurzarbeit für Redaktionen
Trotz aller Erfolge müssen viele Journalisten jetzt in Kurzarbeit. Laut Bundesverband der deutschen Zeitschriftenverleger (BDVZ) haben 80 bis 90 Prozent der Verlage Kurzarbeit angekündigt oder bereits eingeführt. Gut 30 Prozent davon in den Redaktionen. Schuld daran ist der eklatante Rückgang des Anzeigenvolumens. Im Monat März sind das nach Angaben des BDVZ rund 30 bis 40 Prozent. Für den Monat April rechnet der Verband sogar mit Einbußen von bis zu 80 Prozent. Das können selbst steigende Verkaufszahlen der Medienangebote nicht kompensieren.
Künftig mehr gute digitale Geschäftsmodelle
Die Zukunft der Medien sah bereits vor der Corona-Krise nicht rosig aus, nun verschärft die Krise den wirtschaftlichen Druck auf die Verlagshäuser. Und nach der Krise? Wenn es die Verlage schaffen, den Aufschwung im Online-Bereich zu nutzen, könnten digitale Angebote den bereits vor der Krise erlittenen Leserschwund ausgleichen. Dem steht jedoch entgegen, dass es bislang im digitalen Bereich nur wenige gute Geschäftsmodelle gibt. Daran müssen die Verlage künftig arbeiten. Hoffen wir, dass ihnen das gelingt, damit wir in Deutschland auch weiterhin vom Qualitätsjournalismus profitieren können.