Ein Interview mit Focus Money Chefredakteur Georg Meck über das Verhältnis zwischen Medien und PR-Leuten
„Je ausgeklügelter unsere Kommunikationsmittel sind, desto weniger kommunizieren wir“, meinte der englische Schriftsteller John B. Priestley. Was passiert, wenn PR-Leute und Journalisten nicht mehr persönlich miteinander reden? Schaffen wir durch die digitalen Kommunikationsmittel peu à peu einen echten Dialog ab, ohne es zu merken? Georg Meck, neuer Chefredakteur von Focus Money, spricht unter anderem über Sinn und Unsinn von Luxus-Pressereisen und die Beantwortung von Presseanfragen durch künstliche Intelligenz.
Wie hat sich die Kommunikation zwischen Journalisten und den Presseverantwortlichen der Unternehmen in den letzten Jahren entwickelt?
Das Verhältnis hat sich verändert. Es gab noch vor einigen Jahren viel mehr persönliche Gespräche, Treffen und sogar Pressereisen. Nur ein Beispiel: Für Berichterstatter war es noch Anfang des Jahrtausends selbstverständlich, Vorstandschefs großer Wirtschaftsunternehmen auch mal eine ganze Woche nach China zu begleiten. Als große Gruppe flog man damals etwa nach Schanghai, um den dortigen kapitalistischen Aufbruch zu bestaunen. Natürlich ließen es sich die jeweiligen Reiseführer nicht nehmen, auf den wichtigen Beitrag ihres Konzerns und ihres Vorstandsvorsitzenden an diesem Aufschwung hinzuweisen.
War das verwerflich?
Nicht unbedingt. Es kam auf das Ergebnis an und auf den Ton der Berichte. In jedem Fall waren derlei Einsätze teuer für die Konzerne. Solche Pressereisen mussten sich in Veröffentlichungen, Bildern wie Artikeln, gegenrechnen lassen. Manchmal ging die Kalkulation auf, manchmal aber auch nicht. Doch offensichtlich versprachen sich die Kommunikationsabteilungen etwas davon. Regelmäßig machten sich derlei Reisegruppen auf zu Mehrtages-Trips, selbstverständlich immer bezahlt von den Konzernen. An Bord erzählten sich die Veteranen sogleich ihre Anekdoten: von wackligen Fliegern, streikendem Bodenpersonal und aus der Rolle gefallenen Managern. Obwohl der touristische Mehrwert dieser Reisen unstrittig war, galt dies nicht unbedingt für den journalistischen Zusatznutzen, der war oft ziemlich überschaubar.
Was hat sich seitdem verändert?
Irgendwann nahmen Pressveranstaltungen dieser Art rapide ab. Spätestens mit dem Skandal um die schwarzen Kassen bei Siemens und den heraufziehenden Compliance-Beauftragten war Schluss mit dieser Art des Wirtschaftsjournalisten-Tourismus.
Zudem litten die Verlage unter den ersten Sparrunden. Den Redakteuren fehlte schlichtweg die Zeit für mehrtätige Reisen anlässlich einer Pressekonferenz. Zur Not ließ sich die auch am Telefon erledigen. Ganz abgesehen von den moralischen Skrupeln bei diesen Einladungen. Die anstößige Nähe zwischen Akteur und Berichterstatter schwand.
Schon lange vor der Corona-Pandemie hatte sich die Zahl der Präsenzveranstaltungen deutlich reduziert. 2014 beschlossen die ersten Dax-Konzerne, ihre jährlichen Bilanzpressekonferenzen ins Internet zu verlegen. Den Wegfall der physischen Treffen begründeten die Konzerne damals mit dem Termindruck im Frühjahr, wo sich Jahresbilanzen und verschiedene Messen ballen. Zudem meinten manche Konzernlenker, mit der Virtualisierung Vorreiter für einen gewissen digitalen Wandel zu sein.
Wie wurde diese Entwicklung aufgenommen? Begrüßten sie nicht auch einige?
Wer mag, kann diese ganze Entwicklung feiern als das Ende der Kungelei zwischen Medien und Wirtschaft. Und es ist ja wahr, dass zu viel Nähe den Blick verstellt. Was zählt, ist das kühle, unbefangene Urteil. Aber deswegen sich gar nicht mehr treffen? Gar nicht mehr miteinander reden? Da habe ich meine Zweifel. Der Grat zwischen unbefangen und ahnungslos ist nicht allzu breit. Der Anruf zu Recherchezwecken scheint bisweilen aus der Mode gekommen zu sein. Angeblich stünde ja alles im Netz, so das Argument.
Auf Unternehmensseite gibt es Sprecher, die sich damit brüsten, tatsächlich gar nicht mehr ans Telefon zu gehen. Das Handy sei von gestern, das direkte Gespräch als Kommunikationstechnik überholt, hört man da. Es rufe eh niemand an, sagen sie. Der Austausch laufe ganz gut per E-Mail, SMS oder WhatsApp. Womöglich beantwortet irgendwann irgendeine künstliche Intelligenz Presseanfragen. Eine schreckliche Vorstellung.
Verändert diese Tendenz hin zu asynchronen Kommunikationsmitteln nicht vollkommen die Art, sich zu verständigen?
Die Zwischentöne bleiben auf der Strecke. Und das ist aus meiner Sicht höchst unerfreulich. Wo soll denn das tiefere Verständnis herkommen, der unverzichtbare Hintergrund, der für eine journalistische Einordnung wichtig ist? Oder woher sollen die neuen Ideen für die mögliche nächste Geschichte herkommen – wenn nicht aus dem persönlichen Austausch? Ohne Investition in die Redaktionen, zeitlicher und finanzieller Natur, droht die große Langeweile.
Zumal gleichzeitig auf Medienseite die Ansprechpartner zu verschwinden drohen und gleichzeitig die Kommunikationsabteilungen immer größer werden.
Ja, in den vergangenen 20 Jahren haben die Pressestellen gehörig in Kompetenz und Manpower investiert. Mit verschiedensten PR-Agenturen ist eine florierende, hoch professionelle neue Branche entstanden, bevölkert mit ehemaligen Kolleginnen und Kollegen aus dem Journalismus. Klar, nicht jeder Abgang aus den Redaktionen schmerzt gleich stark, aber der Trend in seiner Massivität ist schon beängstigend.
Wenn man diese Entwicklung zu Ende denkt, wird das ganze Konzept irgendwann hinfällig. Man muss sich das nur einmal bildlich vorstellen: Wen sollen die vielen PR-Berater im Unternehmensauftrag auf der journalistischen Seite informieren, gar zu beeinflussen versuchen, bei wem um Verständnis werben, wenn dort niemand mehr anzutreffen ist?
Manche argumentieren sogar, Journalisten brauche es gar nicht mehr. Einfacher und geschmeidiger laufe es, wenn der Vorstand seine Botschaften direkt über Social Media verbreitet. Was ist da dran?
Das führt vollkommen in die Irre, davon bin ich überzeugt: Ohne glaubwürdigen Absender gibt es keine glaubwürdige Botschaft. Und die glaubwürdigeren Überbringer einer Nachricht sind nun mal nicht die Vorstände, Geschäftsführer und Politiker oder deren PR-Leute, sondern die Journalisten. Diese Bedeutung dürfen die Medien nicht dadurch gefährden, indem sie ihre Rolle uminterpretieren.
Inwiefern interpretieren die Medien ihre Rolle um?
Indem sie nicht mehr als berichtende Aufklärer und Deuter auftreten, sondern selbst zu Aktivisten werden. Dabei ist egal, für welche gut gemeinte Sache auch immer sie sich stark machen: Aus meiner Sicht schaffen sie sich damit selbst ab. Warum dann nicht gleich den hauptamtlichen Aktivisten folgen? Wozu braucht es dann noch den Mittelsmann? Noch schlimmer ist das Risiko, auf Unternehmen hereinzufallen, sobald diese sich nur eifrig genug als Wohltäter inszenieren, wenn sie mit Zeitgeistparolen aufwarten und damit auch noch Erfolg haben.
Verurteilen Sie es etwa, wenn Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen und eine gute Sache unterstützen?
Nein, keinesfalls. Aber es läuft doch etwas gehörig falsch, wenn Wirtschaftsbetriebe nicht in erster Linie nach ihren Zahlen und Taten beurteilt werden, nach der Qualität ihrer Produkte, der Entwicklung ihrer finanziellen Ergebnisse oder danach, wie sie ihre Mitarbeiter behandeln. Schamlos wird es, wenn sich Unternehmen darüber beschweren, wie schlecht mit ihnen umgegangen wird, sobald ihre Wohltäter-Rhetorik ausnahmsweise hinterfragt wird. Das gilt für deutsche Start-ups genauso wie für Internetgiganten oder DAX-Unternehmen. Sie wollen alle nur das Gute.
Das setzen wir mal voraus. Unabhängig davon: Haben Sie einen Tipp, wie man Journalisten erreicht, die im Homeoffice sind?
Wenn Journalisten nicht angerufen werden wollen, dann schaffen sie das, auch wenn sie in der Redaktion sind. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn ein echter Mehrwert für die Leser winkt, dann erreicht man Journalisten auch gut im Homeoffice oder unterwegs. In Punkto Erreichbarkeit sind im ersten Anlauf die digitalen Kommunikationsmittel recht nützlich.
Die zentrale Frage ist doch: Will der Journalist mit Ihnen sprechen? Ich bin davon überzeugt, dass die Grundlage für jeden persönlichen Austausch Vertrauen ist. Wenn Vertrauen auf Basis von gegenseitigem Verständnis und Respekt vorhanden ist, dann werden Journalisten den persönlichen Austausch mit Presseverantwortlichen auch in Zukunft suchen und schätzen und entsprechend dafür sorgen, dass sie erreichbar sind.
Wichtig ist, dass wir weiter Gelegenheiten schaffen, um diese Vertrauensbildung zu ermöglichen. Das müssen nicht unbedingt teure Pressereisen sein. Auch ein Termin vor Ort, eine Messe, ein Kongress oder auch nur ein Telefonat kann der Sache dienen. Vertrauen fällt schließlich nicht vom Himmel, sondern setzt gemeinsame positive Erfahrungen voraus. Daran sollten wir festhalten. Früher war das die Reise nach China, heute müssen wir vielleicht andere Wege finden. Aus meiner Sicht bleibt es unerlässlich, dass man nie aufhört – mit der gebotenen Aufmerksamkeit, die den persönlichen Austausch so wertvoll und einzigartig macht – wirklich einander zuzuhören und miteinander zu sprechen.