Verbinden, was zusammengehört
Mein Supermarkt um die Ecke bietet Qualitäts Weizen Mehl an, in meinem Vorratsschrank lagern Lorbeer Blätter. Das namhafte baden-württembergische Unternehmen sucht einen Key Account Manager und vor mir auf dem Schreibtisch steht eine Tube Hand Creme.
Fazit dieser Alltagsbeobachtungen (deren Aufzählung ich übrigens nahezu endlos fortsetzen könnte): Das Deppen Leer Zeichen ist auf dem Vormarsch. Und es treibt mich in den Wahn Sinn.
Mark Twain dagegen wäre begeistert von dieser Entwicklung. In seinem Essay „Die schreckliche deutsche Sprache“ bezeichnet er zusammengesetzte Wörter als alphabetische Prozessionen. Einige seien gar so lang, dass sie eine Perspektive aufwiesen, meint Twain. Zugegeben: Wörter wie Lastkraftwagendieselfahrverbot oder Eisenbahnfahrzeugführerscheinverordnung klingen etwas sperrig. Nichtsdestotrotz: Die Möglichkeit, mehrere Wörter zu einem neuen Wort mit eigener Bedeutung zusammenzusetzen ist ein Kennzeichen und eine Besonderheit der deutschen Sprache, die ich nicht missen möchte. Viele Schreiber scheinen allerdings zu vergessen, dass bei zusammengesetzten Wörtern tatsächlich ein neues Wort entsteht, das logischerweise auch zusammengeschrieben werden muss.
Woher kommt die Bindungsangst?
Ich frage mich: Woher kommt die Angst vor der Bindung? Ist unsere Gesellschaft sprachlich beziehungsunfähig?
Vermutlich nicht. Die Ursachen dürften eher im Einfluss der englischen Sprache liegen, die keine Komposita kennt, sondern Wörter bausteinartig aneinanderreiht. Auch der allgegenwärtige Gebrauch von Autokorrektursystemen und automatischer Worterkennung, ist für mich eine einleuchtende Erklärung (dazu später mehr). Vielleicht haben auch mehrere Rechtschreibreformen manch einen mehr verwirrt als für Klarheit gesorgt? Immerhin gehen wir jetzt nicht nur ökologisch korrekt Rad fahren. Doch rechtfertigt all das die epidemieartige Ausbreitung des Leerzeichens? Nein!
Der Bindestrich als ideales Bindemittel
Denn diese ist umso unverständlicher, ermöglicht die deutsche Sprache nicht nur die Bildung von Komposita, sondern auch den Einsatz eines verkannten Zeichens, um zu verbinden, was zusammengehört. Diesem Zeichen möchte ich eine Hommage singen, ein Denkmal setzen. Es geht um den Viertelgeviertstrich (der von meiner Autokorrektur übrigens nicht rot unterkringelt würde, würde ich Viertel Geviert Strich schreiben). Besser bekannt ist er als Bindestrich (den zumindest darf ich laut meiner Autokorrektur offiziell zusammenschreiben). Ich mag den Bindestrich. Sehr sogar. Er verbindet, was zusammengehört. Er verhindert Wortungetüme. Er kann hervorheben. Durchkoppeln nennt man das. Ich finde: Lieber zweimal zu viel gekoppelt als einmal zu wenig. Der Bindestrich verbessert die Lesbarkeit. Mit ihm verlieren Lastkraftwagen-Diesel-Fahrverbot und Eisenbahn-Fahrzeug-Führerschein-Verordnung auch für diejenigen den Schrecken, die lange zusammengesetzte Wörter schwer lesbar finden. Wobei ich in diesen Fällen jeweils einen Bindestrich für ausreichend hielte: Lastkraftwagen-Dieselfahrverbot und Eisenbahnfahrzeug-Führerscheinverordnung. So oder so: Der Bindestrich ist für mich ein ideales Bindemittel – als Redakteurin steht für mich immer an erster Stelle, dass der Leser einen Text zu Ende liest und nicht vorzeitig aussteigt, weil die Lektüre ihm zu mühsam ist.
Ran an den Bindestrich
In letzter Zeit allerdings vermisse ich den Bindestrich. Heimlich, still und leise scheint er aus dem Schriftbild zu verschwinden. Das sieht nicht nur leer aus, sondern stört für mich Lesbarkeit und Verständlichkeit. Das ist das vorzeitige Ende jedes Texts. Der Leser steigt aus. Denn wer hat heute schon Zeit, Sätze zweimal zu lesen? Was bitte kann der Online PR und Content Marketing Experte genau? Der Online-PR-und-Content-Marketing-Experte ist ganz klar Experte für Online-PR und Content-Marketing.
Mein Tipp: Ran an den Strich! Es gibt wenige Fälle in der deutschen Sprache, in denen er falsch gesetzt werden kann. Vertrau auf dein Sprachgefühl: Kurze Wortverbindungen wie zum Beispiel Weizenmehl benötigen natürlich keinen Bindestrich. Sind Lesbarkeit und Verständnis jedoch in Gefahr (Anzeichen dafür ist, wenn man beim lauten Vorlesen ins Stocken gerät): Koppeln! Wenn du unsicher bist, am besten den Duden befragen.
Sehr kurz zusammengefasst empfiehlt das Standardwerk:
- Der Bindestrich kann zur Hervorhebung einzelner Bestandteile in Zusammensetzungen und Ableitungen verwendet werden, die normalerweise in einem Wort geschrieben werden (zum Beispiel Ich-Sucht, Lotto-Annahmestelle, französisch-deutsches Wörterbuch, Druck-Erzeugnis, Schwimm-Meisterschaft).
- Der Bindestrich muss gesetzt werden, wenn die Zusammensetzungen mit (einzelnen) Buchstaben, Ziffern oder Abkürzungen gebildet werden und wenn es sich um mehrteilige Zusammensetzungen mit Wortgruppen handelt (zum Beispiel: Mund-zu-Mund-Beatmung, zum Aus-der-Haut-Fahren, Kfz-Papiere, 14-jährig, x-te).
Der erste Duden erschien übrigens 1880. Im selben Jahr, in dem Mark Twain seine humoristisch-satirische Abhandlung über die Schwierigkeiten beim Erlernen der deutschen Sprache herausbrachte. Hätte er zuvor also Leerzeichen setzen können, so viel er gewollt hätte? Vielleicht. Wenn die Fähigkeit zur Bindung denn nicht eine Besonderheit der deutschen Sprache wäre.