Autorin Patricia Kohm
Nein, wir reden hier nicht von der leckeren Schokolade „Eszett“ und davon, ob sie eine Bereicherung ist. Die Rede ist vom Buchstaben Eszett, oder wie er auch bei uns in der Agentur am häufigsten genannt wird: Scharfes-S. Ein typisch deutscher, orthografisch besonderer Buchstabe.
Am 29. Juni 2017 trat eine neue Rechtschreibreform in Kraft. Neben vielen kleinen Änderungen ist uns insbesondere eine Neuheit im Kopf geblieben: Wir bekommen ein großes Eszett! In der Agentur-Küche fand dazu eine reformübergreifende Debatte zwischen mir, Patricia, Volontärin bei A&M und unserer Geschäftsführerin Katrin statt:
Patricia: Na toll, schon wieder eine Neue? Wer behält denn da noch den Überblick?!
Katrin: Ich versteh die Verwirrung: Was darf man, was muss man und vor allem, was geht gar nicht?! Die deutsche Sprache ist etwas Besonderes und sie lebt. Ich finde das klasse und freue mich über die Einführung des großen Eszetts – diesen tollen Buchstaben gibt es nur in der deutschen Sprache. Das macht ihn so einzigartig!
Patricia: Für mich persönlich ergibt die Neuerung, ein großes Eszett einzuführen, wenig Sinn: Die Änderungen der vergangenen Jahre gingen für mich in Richtung „Globalisierung der Sprache“.
Das Doppel-S macht die deutsche Sprache universeller. Warum rudern wir jetzt einen Schritt zurück? Warum einen Buchstaben groß machen, wenn er selbst kleingeschrieben in der Welt kaum bekannt ist?!
Katrin: Weil es sich um unsere sprachliche Wurzel handelt! Als die Macher der Reform von 1996 dafür plädierten, das Doppel-S zu stärken, habe ich mich vehement dagegen gewehrt. Auch namhafte Medienhäuser und Verlage wie beispielsweise die FAZ oder der Spiegel empfanden diese Neuerung als Angriff auf die deutsche Sprache und blieben ihrer Hausorthografie einige Zeit treu. Ich war damals wirklich entsetzt: einen so schönen, traditionellen Buchstaben einfach durch ein Doppel-S ersetzen? Das kam mir als Germanistin nur schwer in den Sinn. Ich habe mein Eszett trotzdem weiter geschrieben. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem mir klar wurde, dass ich als Leiterin einer PR-Agentur eine gesellschaftliche Verpflichtung habe und gleichzeitig auch als pädagogisches Vorbild für unsere PR-Berater und Volontäre stehe. Und auch die Medienhäuser mussten sich irgendwann dem Doppel-S beugen.
Patricia: Ich finde das sehr schwierig. Ich bin mit der Rechtschreibreform von 1996 und der Verwendung des Doppel-S groß geworden. So langsam verliere ich den Überblick.
Katrin: Mach dir keinen Kopf, es werden noch einige Rechtschreibreformen auf uns zukommen. Aber jetzt freue ich mich über die Doppel-S-Schreibung in Großbuchstaben: Endlich darf ich meine „MAßNAHMEN“ in Präsentationen groß schreiben. Juhu!
Patricia: Naja, wenn ich es mir recht überlege, fällt mir dazu eine ganz witzige Geschichte ein: Eine Bekannte meiner Mutter heißt Elißabeth Maße – so steht es auch in ihrem Pass. Auf ihrer Reise in die USA zeigte Sie am Flughafen in LA dem Zollmitarbeiter ganz brav ihren Pass: Vorname ELIßABETH Nachname MAßE. „Well, thank you Miss ELIBABETH MABE! Welcome to LA.“ Mit dem großen Eszett wäre das vielleicht nicht passiert.
Es war einmal vor langer Zeit…
Das Eszett ist schon seit mehreren Jahrzehnten ein Bestandteil der deutschen Sprache. Historisch gesehen geht das Eszett auf eine Ligatur der Kurrentschrift (also der deutschen Schreibschrift) zurück: auf ein ſ(„langes s“) und ein z. Die einheitlich typografische Form entstand 1876. Das Eszett wird für den stimmlosen s-Laut nach einem langen Vokal oder einem Doppellokal geschrieben, wohingegen das Doppel-S für den stimmlosen s-Laut nach einem kurzen Vokal eingesetzt wird. Bei der Verwendung von Großbuchstaben galt bis dato auch ein großes Doppel-S anstelle eines ß.
Nach der Rechtschreibreform von 1996 wurde die Häufigkeit der Anwendung um etwa die Hälfte reduziert. Als Ligatur (die Verbindung von zwei Buchstaben zu einer Drucktype) hat es die Aufgabe, geschlossenere, schönere und einfachere Wortbilder zu ergeben und die Sätze lesbarer zu gestalten. Besonders in der deutschen Sprache, in der lange Wortzusammensetzungen häufig vorkommen, ist das wichtig. Doch nicht so in der Schweiz: Hier wird das Eszett einfach immer durch das Doppel-S ersetzt. Um die deutsche Sprache am Leben zu erhalten, wurde bereits im Juni 2008 darüber debattiert, ein großes Eszett einzuführen. Neun Jahre später ist es dann endlich soweit: Wir haben ein großes Eszett!