Warum Videos von Zugstrecken so faszinierend sind
Der Blick aus der Frontscheibe des Lokführers scheint etwas ganz Besonderes zu sein. Zumindest performen Videos vonFührerstandsmitfahrten auf YouTube über die Maßen erfolgreich. Und das, obwohl es eigentlich sämtlichen Gesetzmäßigkeiten des Bewegtbild-Marketings widerspricht. Denn sowohl der Inhalt, bei dem gefühlt stundenlang nichts passiert, als auch die Länge des Videos, die in Richtung Spielfilm tendiert, sind normalerweise keine Garantie für hohe organische Klickzahlen. Ist es die Exklusivität der Perspektive oder steckt mehr dahinter? Ein Erklärungsversuch.
Emotionale Grundlage: Eisenbahnromantik
Für unseren Kunden bwegt produzieren wir monatlich sogenannte Führerstandsmitfahrten. Das sind Videos, die eine komplette Zugstrecke von Anfang- bis Endhaltestelle frontal aus dem (Lok)-Führerstand eines Zuges zeigen. Hierzu wird mit einer GoPro gefilmt, die an der Frontscheibe montiert wird. Die Videos haben durchschnittlich 25.000 Klicks und gehören damit zu den beliebtesten Videos auf dem Kanal. Auch wenn es sich um sehr malerische Strecken in Baden-Württemberg handelt, fragen wir uns: Kann die Eisenbahnromantik alleine der Grund für den organischen Erfolg des Formats sein?
Die Psychologie des Fahrens
Wenn man einmal mitgefahren ist, versteht man, wieso diese Videos so beliebt sind – denn die Erfahrung ist einzigartig und die meisten Menschen werden so eine Führerstandsmitfahrt niemals live erleben. Diese Perspektive hat also eine gewisse Exklusivität.
Eine psychologische Komponente in diesem Zusammenhang ist auch noch sehr spannend: Der Magdeburger Experte für Mobilitätspsychologie Prof. Dr. Michael Dick schreibt in seinem Buch Verkehrszeichen, dass der frontale Blick auf eine Straße (oder im Falle der bwegt Streckenvideos, eine Schiene) den Fahrer oder Zuschauer zum psychologischen Mittelpunkt des Geschehens macht. Das ermöglicht es dem Zuschauer, auf eine Art und Weise mit dem Raum und der Umwelt umzugehen, die durch einen seitlichen Blick, wie zum Beispiel zum Zugfenster raus, nicht zu ersetzen ist.
Lange Videos haben eine soziale Komponente
Aber dennoch hat YouTube eigene Gesetze. Inhaltslose, lange Videos gehören normalerweise nicht zu den Bestperformern. Es gibt aber einige Ausnahmen. Und für diese gibt es psychologische Erklärungen. Medienpsychologin vom Center for Advanced Internet Studies (CAIS), Josephine Schmitt, erklärt in einem Interview mit jetzt, dass Videos, in denen „nichts“ passiert, aus guten Gründen beliebt sind. Sie fasst es zusammen als „sozialen Vergleich über Nachahmung bis zum Voyeurismus“. Das gilt nicht nur für die Streckenvideos von bwegt, sondern auch für Mukbangs, ASMR, Study-with-me’s und viele andere Genres. Ein wichtiger Faktor ist jedoch, dass diese Aufnahmen für Hintergrundbeschallung sorgen. Viele Menschen spielen solche YouTube-Videos quasi nebenher ab, während sie ihrem Alltag nachgehen. Die Videos leisten auch oft Gesellschaft, wenn man sich den unbeliebten Aufgaben des Lebens widmet – Hausaufgaben, Bügeln oder vielleicht sogar allein zu Abend essen. Im letzteren Fall übernehmen sie eine soziale Funktion, indem sich der Zuschauer weniger einsam fühlt.
Fest steht: Die Beliebtheit der Streckenvideos beruht auf einem ganzen Komplex an Gründen. Ob romantische, psychologische oder soziale Ursachen des Pudels Kern liegt in einer tief verwurzelten Sehnsucht der User nach beruhigenden, langen Videos mit schönen Landschaften, die sich wohltuend abhebt von dem schnellgeschnittenen Bewegtbild auf den Social-Media-Kanälen. Inzwischen sind auf dem YouTube-Kanal von bwegt xxx Videos online und diese werden von einer treuen, stetig wachsenden Community sehr gefeiert. Ein neuer Aspekt in der Bewegtbildmarketing, den es sicherlich auch in anderen Bereich zu berücksichtigen gilt!